19 März 2015

Revolution und Markenkleidung

Protest gegen eine unbedeutende kleine Zentralbank - zu Ehren von Blockupy


Bereits Lenin wusste: "Eine Revolution ohne Blutvergießen taugt nichts!" Dass es wahrscheinlich bei dem Blutvergießen bleibt, auch wenn die Revolution erfolgreich beendet ist, weiß man ebenfalls. Seit Lenin, beispielsweise.

Die sogenannte "Macht" hat nun einmal das Bestreben, mit aller Gewalt an der Macht zu bleiben. Sei es, weil sie ihre eigene Regierungsform für die beste überhaupt denkbare hält, sei es, weil die vorhandene Struktur den Teilhabern der Macht erhebliche materielle Vorteile beschert. Und das eine schließt das andere nicht aus. Das ist menschlich: So etwas gibt man nicht gerne wieder her, insbesondere dann, wenn die Dreckarbeit andere machen müssen.

Wenn eine Revolution ausnahmsweise einmal unblutig abgeht, dann stimmt etwas nicht: Die alten Mächtigen sind entweder selbst nicht mehr von ihrem System überzeugt. Oder sie erwarten, in dem neuen System mehrheitlich ebenso viele Vorteile zu haben wie im alten. Es gibt natürlich Ausnahmen und Einzelfälle, aber man kann kein neues Staatsgebilde ganz ohne die Fachleute des alten aufbauen.

In Deutschland haben wir ein gespaltenes Verhältnis zu Revolutionen, weil alle diese Mechanismen weithin bekannt sind, sowie wegen des deutschen Temperaments. Der Deutsche meint, dass eine Revolution vorher festgelegten Regeln zu folgen habe und dass Vorfahrt immer noch Vorfahrt bleiben muss. Damit wirklich niemand benachteiligt wird, muss es von diesen Regeln jedoch noch Ausnahmen für Minderheiten und besondere Anlässe geben, welche ebenfalls vorher festzulegen sind.

Insbesondere schätzt der Mensch keine Veränderungen, das betrifft nicht einmal nur die Deutschen. Veränderung und Unbekanntes beunruhigt den Menschen. Daher die Sache mit den Regeln. Der Deutsche ist andererseits auch großzügig, er meint, gegen Revolutionen sei im Grunde gar nichts einzuwenden, sofern sie unblutig verlaufen und sich im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen.

Nun wurde gestern wieder einmal gegen ein Herrschaftssystem demonstriert. Die Umstände waren sonderbar, aber dabei eigentlich so wie immer. Das Herrschaftssystem ist nämlich nominell gar keines, sondern es handelt sich um nur eine Bank, so wird es genannt. Aber nur wer das Geld verwaltet lenkt wirklich die Geschicke.

Bei den Protesten floss auch kein richtiges Blut, stattdessen wurden einige Autos angezündet. In Deutschland ist das Auto ein Heiligtum und ein brennendes Fahrzeug ist ein viel schlimmeres Fanal als wenn einige abgeschlagene Köpfe von Bankmanagern über den Vorplatz gerollt wären: "Die armen Autos haben doch niemandem etwas getan!" Mit Bankmangern hätten die Leute aus gegebenem Anlass deutlich weniger Mitleid.

Den Protestniks wird außerdem vorgehalten, ausgerechnet sie selbst trügen ja Markenkleidung, ausgerechnet im Kampf gegen ein Ausbeutersystem. Ausgerechnet! Inzwischen spricht sich herum, dass gerade die Marken auf ihren guten Ruf achten und deshalb bei der Ausnutzung von Kinderarbeit nicht erwischt werden wollen. Den No-Name-Herstellern erscheinen solche Überlegungen abwegig - schließlich sind sie ja an ihrem Namen ohnehin nicht wiederzuerkennen. Bei No-Name-Herstellern ist die Chance, dass für deren Kleidung Frauen und Kinder in Sweat-Shops bluten müssen also viel größer. Deshalb ist gediegene Markenkleidung bei der Tätigkeit des Protest gegen das Establishment auf jeden Fall das kleinere Übel.

Wie stellt sich der Deutsche nun Protest vor? (von Revolution ganz zu schweigen, obwohl die meisten Bürger Einwände gegen die herrschenden Zustände haben)

Gewaltfrei auf jeden Fall, das bedeutet: Vor allem ohne Gewalt gegen Sachen. Zur ordentlich angemeldeten Demonstration erscheint der namentlich bekannte Demonstrant pünktlich am festgelegten und behördlich freigegebenen Ort und bringt seine Unzufriedenheit mit dem aus seiner Sicht undemokratischen System zum Ausdruck. Er trägt dabei sein gut leserliches Schild und selbst genähte Protestkleidung aus nachhaltig erzeugten und fair gehandelten Stoffen in gedeckten Farben, welche den einzelnen einfach kenntlich machen und andererseits das Auge des Aufsichtspersonals nicht beleidigen.

Habe ich etwas vergessen?

Gut. Jetzt, wo wir wissen, wie Protest und Revolution in Deutschland durchzuführen sind, können wir endlich energisch gegen alle Missstände vorgehen!

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